Die Künstlerin Parastou Forouhar wurde am 10. März in der Berliner Akademie der Künste mit dem 20.000 Euro dotierten Gabriele Münter Preis 2025 geehrt. Der Preis würdigt nicht nur ihr beeindruckendes künstlerisches Werk, sondern auch ihr langjähriges Engagement für Menschenrechte und gesellschaftliche Reflexion. Kulturstaatsministerin Claudia Roth betonte in ihrer Rede: „Unsere Gesellschaft, die iranische Gesellschaft, jede Gesellschaft, braucht mutige Frauen wie Sie, braucht Künstlerinnen, die sich nicht den Mund verbieten lassen, die mit ihrer Kunst ausdrücken, was andere nicht ausdrücken können. Die uns dazu bringen, hinzuschauen, hinzuhören, mitzufühlen, zu verstehen und zu engagieren.“
In feierlicher Atmosphäre wurde die Künstlerin Parastou Forouhar am 10. März 2025 in der Akademie der Künste mit dem Gabriele Münter Preis ausgezeichnet.
- Es gilt das gesprochene Wort -
Es freut mich sehr, dass wir heute, nach acht Jahren, diesen Preis endlich wieder verleihen können. Das ist ein wichtiges Zeichen, auch an die nächste Regierung. Mein ganz besonderer Dank geht an die drei Verbände BBK [Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler], Künstlerbund und GEDOK [Gemeinschaft deutscher und oesterreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen]. Danke von Herzen, dass Sie sich für diese Verleihung und für die Sichtbarkeit von Frauen in Kunst und Kultur stark gemacht haben und stark machen! Und natürlich, liebe Parastou Forouhar, gratuliere ich Ihnen von ganzem Herzen zum Gabriele Münter Preis!
„Ich möchte dazu motivieren, genauer hinzuschauen“, sagen Sie, liebe Parastou Forouhar, über Ihre Kunst. Und der Gabriele Münter Preis, er schaut genauer hin. Gerade in dieser Zeit ist er ein wichtiges Signal. Wir erleben in Deutschland, aber auch europa- und weltweit, den Aufschwung rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien. Parteien und Maskulinisten, die Frauenrechte unverhohlen in Frage stellen, die mit antifeministischer Rhetorik Wahlkampf machen, die die Zeit am liebsten zurückdrehen und uns Frauen wieder an den heimischen Herd verbannen würden. Das Foto aus der letzten Woche von der Sondierungsgruppe der Union hat uns nicht nur sinnbildlich vor Augen geführt, dass Gleichberechtigung offenbar noch nicht bei allen eine Selbstverständlichkeit ist. Gleichberechtigung ist ein Gradmesser für Demokratie. Wer Frauenrechte geringeschätzt oder beschneidet, stellt unsere freiheitliche demokratische Grundordnung in Frage. Misogynie und Demokratiefeindlichkeit – sie kommen oft Hand in Hand daher.
Besonders deutlich sieht man das in Ihrer ursprünglichen Heimat, liebe Parastou Forouhar, wo der Wunsch von Frauen nach Selbstbestimmung und Freiheit so brutal unterdrückt wird. Unsere Gesellschaft, die iranische Gesellschaft, jede Gesellschaft, braucht mutige Frauen wie Sie, braucht Künstlerinnen, die sich nicht den Mund verbieten lassen, die mit ihrer Kunst ausdrücken, was andere nicht ausdrücken können. Die uns dazu bringen, hinzuschauen, hinzuhören, mitzufühlen, zu verstehen und zu engagieren.
Die Kunstwelt hat Gabriele Münter sehr lange nicht wahrgenommen. Sie war die Lebensgefährtin Wassily Kandinskys. Dass sie selbst Künstlerin war, Mitbegründerin des Blauen Reiters, eine wunderbare, vielfältige Künstlerin und eine starke Frau, ist jahrzehntelang kaum bekannt, schon gar nicht anerkannt worden. Im Jahr 1922 schrieb Gabriele Münter in ihr Tagebuch: „Mit meiner Kunst geht es mir als alleinstehende Frau auch dreckig – […] ich bin aus allem heraus – eine von tausenden malenden Frauen, die […] nirgends zur Ausstellung kommt.“ Gabriele Münter war eine der vielen Künstlerinnen, die bevormundet und in ihrer Kreativität unterdrückt wurden, von Malerkollegen wurde sie als „Frauenziefer“ verunglimpft. Aber Gabriele Münters Geschichte ist auch eine Geschichte der Emanzipation, der Selbstbehauptung. Frauen wie sie gab und gibt es in allen Bereichen von Kunst und Kultur: engagierte Musikerinnen, mutige Schriftstellerinnen, Schauspielerinnen, die sich behaupteten in einer männlich dominierten Welt. Frauen, die sich dagegen wehrten, in der Kunst nur als Musen oder Objekte eine Rolle zu spielen. Und dennoch fragt – auch über 60 Jahre nach Gabriele Münters Tod – das Künstlerinnen-Kollektiv Guerilla Girls noch: „Müssen Frauen nackt sein, um ins Museum zu kommen?“ Das ist eine berechtigte Frage angesichts des riesigen Gender Show Gaps gerade in den Bildenden Künsten.
Obwohl die meisten Absolvent:innen von Kunsthochschulen weiblich sind, bleiben Künstlerinnen in Galerien und Museen unterrepräsentiert, erzielen deutlich geringere Preise auf dem Kunstmarkt und werden in ihrer Berufsgruppe weniger ernst genommen. Der Gender Show Gap führt zum Gender Pay Gap – und Mütter sind dabei in einer besonders prekären Lage.
Diese Ungerechtigkeit gilt es zu bekämpfen, hier müssen wir als Gesellschaft unbedingt genauer hinsehen. Frauen sind aus eigenem Recht Künstlerinnen, eigenständig in ihrem kreativen Schaffen und zwar in jedem Bereich von Kunst und Kultur. Gleichstellung ist mir nicht nur kulturpolitisch, sondern auch persönlich ein großes Anliegen. Mit meinem Haus habe ich daher in der vergangenen Legislatur viele Maßnahmen umgesetzt: Wir haben ein Mentoring-Programm für hochqualifizierte Künstlerinnen und weibliche Kreative, die selbst Führungsverantwortung übernehmen wollen, ins Leben gerufen, wir haben Honoraruntergrenzen in unseren Förderbestimmungen festgesetzt und die unabhängige Vertrauensstelle Themis mit auf den Weg gebracht, die wir auch finanziell fördern. Dass die BKM ihre Gremien und Jurys grundsätzlich geschlechtergerecht besetzt, ist mir eine Selbstverständlichkeit. Denn Kunst ist nicht weiß, männlich und heterosexuell, Kunst ist bunt und vielfältig, Kunst will ermöglichen, ermutigen und Freiräume schaffen. Vor allem ist Kunst frei, sie bildet die Wirklichkeit unserer Gesellschaft ab. Eine lebendige Demokratie schließt alle Menschen ein und braucht deshalb eine ebenso lebendige Kunst- und Kulturlandschaft in ihrer ganzen Vielfalt. Und machen wir uns nichts vor: Die Demokratiefeinde und Rechtstaatsverächter, sie wollen nicht nur definieren, wer zu unserer Gesellschaft gehört und wer nicht, sondern sie wollen auch definieren, was wahre, deutsche, männliche Kunst ist. Das müssen wir sehr viel ernster nehmen als bisher.
Liebe Parastou Forouhar, Ihre Geschichte, die Geschichte Ihrer Eltern, zeigt, wie unterdrückerische Regime, Autokraten und Demokratiefeinde gegen Kunst- und Kulturschaffende und gegen Andersdenkende vorgehen. Wie gegen Jina Mahsa Amini, die wegen ihres Wunschs nach Freiheit ihr eigenes Leben verloren hat. Aber ein Leben in Freiheit kann es in einem Staat, der Frauen unterdrückt, nicht geben. Iranische Künstler:innen jeder Kunstgattung führen uns mit ihren Werken immer wieder die fortdauernden Grausamkeiten dieses brutalen, rücksichtslosen Regimes und die Folgen jahrzehntelanger Schreckensherrschaft vor Augen. Im Iran und weltweit sitzen Kunst- und Kulturschaffende in Haft, manchen droht sogar die Todesstrafe wie den iranischen Rappern Toomaj Salehi und Amir Tataloo.
Wo wäre die Ausstellung zum Gabriele Münter Preis also besser aufgehoben als in Chemnitz, der europäischen Kulturhauptstadt? „C the Unseen“ – Chemnitz 2025 soll für Weltoffenheit, für Beteiligung, für Demokratie und für unsere gemeinsamen europäischen Werte stehen. 80.000 Menschen, die am Eröffnungstag auf den Straßen der Stadt gefeiert haben, stellen dies eindrucksvoll unter Beleg. Danke an das Museum Gunzenhauser der Kunstsammlungen Chemnitz, dass Sie das möglich machen. Damit die vielen wunderbaren Künstlerinnen und besonders Sie, liebe Parastou Forouhar, die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen.
Von dieser Ausstellung und von diesem Preis können wir alle als Gesellschaft profitieren: Indem wir genauer hinsehen. In diesem Sinne: Jin Jiyan Azadi!