Über 70.000 Menschen protestierten am 9. Oktober 1989 in Leipzig gegen das DDR-Regime. Das Datum gilt heute als Schlüsselmoment der Friedlichen Revolution. Damals konnte jedoch niemand wissen, wie dieser Tag enden würde, denn die Sorge vor einer gewalttätigen Niederschlagung der Demonstrationen war groß.
Geschichte ist jedoch ein offener Prozess. Sie ist abhängig von individuellen Entscheidungen, einzelnen Taten, aber auch Zufällen. Dieses Verständnis von Geschichte will das Deutsche Historische Museum (DHM) seinen Besucherinnen und Besuchern jetzt mithilfe einer interaktiven Anwendung vermitteln. Ab sofort können sie im Museum die Gamestation „Leipzig ’89 – Revolution reloaded” testen. In dem Spiel schlüpfen sie selbst in die Rolle von verschiedenen Figuren, treffen konkrete Entscheidungen und können damit den Ausgang der Ereignisse beeinflussen.
So erhalten die Spielerinnen und Spieler die Möglichkeit, den Tag zum Beispiel aus der Perspektive einer Bürgerrechtlerin oder eines Bereitschaftspolizisten zu erleben. Dabei sind fünf der sieben Charaktere eng an historische Figuren angelegt, es gibt aber auch zwei reale Vorbilder: Der damalige ZK-Sekretär für Sicherheitsfragen Egon Krenz und der Dirigent Kurt Masur, der zu den sechs prominenten Leipzigern gehört, die den Aufruf „Keine Gewalt“ verfassten. Über die spielerische Herangehensweise sollen neue Zugänge zu dem historischen Thema geschaffen werden.
Neue Wege der Geschichtsvermittlung durch Gamification
Die Gamestation im DHM verknüpft das digitale Spiel, das in Form einer Graphic Novel gestaltet ist, aber auch mit historischen Objekten aus der Sammlung des Museums. So ist beispielsweise ein Flugblatt vom 9. Oktober 1989 oder ein Helm mit Visier für Sondereinsätze der Bereitschaftspolizei ausgestellt. Mit der Kopplung von faktischen Objekten und digitalen Inhalten will das Museum neue Wege der Geschichtsvermittlung gehen.
Prototypen bis zum 27. März testen
Noch ist die Gamestation, die auf wissenschaftlichen Recherchen des DHM beruht und gemeinsam mit professionellen Spieleentwicklern entstanden ist, allerdings in der Entwicklungsphase. Sie kann bis zum 27. März von Besucherinnen und Besuchern kostenfrei getestet werden – entweder über das eigene Smartphone oder über eines von drei festinstallierten Tablets im Museum. Das Feedback der Nutzerinnen und Nutzer soll helfen, den Prototypen weiterzuentwickeln. Die Ergebnisse werden auch anderen interessierten Museen zugänglich gemacht.
Förderung von Digitalprojekten in ganz Deutschland
Entwickelt wurde „Leipzig ’89 – Revolution reloaded“ in dem von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Verbundprojekt museum4punkt0. Das Projekt vernetzt Kultureinrichtungen in ganz Deutschland auf dem Weg in die Digitalität. In insgesamt 18 Teilprojekten arbeiten die Teams unterschiedlichster Institutionen unter anderem an der Entwicklung on Virtual- und Augmented Reality-Anwendungen, Multimedia-Guides oder auch partizipativen und interaktiven Plattformen.