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Eröffnung der Ausstellung „Kafkas Echo“

Thema: Rede

Sonntag, 12. Mai 2024

„Die Ausstellung ‚Kafkas Echo‘ ist ein Höhepunkt des Kafka-Jahres“, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei der Eröffnung in Marbach. Sie zeige Franz Kafka als globalen Autor und setze sein Werk dabei zugleich in je lokale Kontexte. „Kafkas Echo“ ist ein Kooperationsprojekt der National Library of Israel, der Bodleian Libraries Oxford und dem Deutsche Literaturarchiv Marbach. Im Literaturmuseum der Moderne sind bis 26. Januar 2025 mehr als 100 Exponate, darunter Briefe, Originalfotos und Manuskripte des Schriftstellers, zu sehen.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei der Eröffnung der Ausstellung „Kafkas Echo“ im Literaturmuseum der Moderne Marbach.

„Wir erkennen uns und unser Leben in den Texten Kafkas – das macht ihn uns zum Zeitgenossen", betonte Claudia Roth bei der Eröffnung im Literaturmuseum der Moderne in Marbach.

- Es gilt das gesprochene Wort. -

Franz Kafka lebt. Seit seinem Tod vor 100 Jahren heißt ihn jede neue Generation von Leserinnen und Lesern als ihren Zeitgenossen willkommen. Bertolt Brecht und Thomas Mann werden bis heute in Deutschland gelesen und sind auch im Ausland bekannt. Franz Kafka aber ist aufgestiegen zum berühmtesten deutschsprachigen Autor des 20. Jahrhunderts, weltweit gelesen, gefeiert und verehrt. In der Welt war und ist er zuhause. Er hat auf Deutsch geschrieben, in Prag hat er den größten Teil seines Lebens gelebt, von Jerusalem aber, wohin er mit seiner letzten Liebe Dora Diamant hat auswandern wollen, hat er geträumt. Deshalb freue ich mich besonders, Sie, lieber Ron Prosor, als israelischen Botschafter in Deutschland, und Sie, lieber Tomáš Kafka, den Botschafter der Tschechischen Republik, den einen in persona, den anderen virtuell hier und heute in Marbach herzlich begrüßen zu können.

Seit der ersten Übersetzung des Romankapitels Der Heizer", im April 1920 von Milena Jesenská in die tschechische Sprache, hat Kafkas Werk die Welt umrundet und gehört längst zum Kanon der Weltliteratur. Das ist auf den ersten Blick erstaunlich. Denn so präzise die Sprache Kafkas und die Darstellung der Welt in seinen Roman-Fragmenten und in seinen Erzählungen auf den ersten Blick scheint, so rätselhaft und grotesk ist die Wirklichkeit, die uns Kafka präsentiert.

Wie viele Interpretationen in wie vielen Sprachen allein zum „Prozess“, zum „Schloss“ oder zur „Verwandlung“ erschienen sind, lässt sich kaum ermitteln, zusammengenommen dürften sie eine Bibliothek befüllen. Rätselhafte, nicht leicht zugängliche Literatur ist wenig populär, aber im Fall Kafkas hat das offenbar die Attraktivität seines Werks für das Publikum sogar gesteigert. Vielleicht hat es damit zu tun aber das ist natürlich nur eine Vermutung , dass Kafka keineswegs die Welt verrätselt, sondern die Rätselhaftigkeit der modernen, fragmentierten Welt zur Sprache bringt und damit den Menschen der Moderne. Wir erkennen uns und unser Leben in den Texten Kafkas – das macht ihn uns zum Zeitgenossen.

Aber wir erkennen uns auch im Leben Kafkas wieder, spätestens seitdem Sie, lieber Daniel Kehlmann, und Sie, lieber David Schalko, uns jüngst Franz Kafka in ihrer phantastischen, auch von mir geliebten sechsteiligen Serie nicht nur als von der Existenz gequälten Schriftsteller, nicht nur als Opfer des übermächtigen Vaters und als unglücklichen Liebhaber vorgestellt haben, sondern auch als übermütigen, lachenden Franz, mit anderen Worten: als Menschen.

Da ist noch etwas, das den bis heute – und hoffentlich noch lange Zeit – anhaltenden Erfolg Kafkas erklären könnte. Die Verfilmung basiert auf der einzigartigen, dreiteiligen Biografie Rainer Stachs. Er hat gesagt: „Kafka hat bei anderen immer das Gute gesucht.“ Zum Beweis hat er auf folgenden bemerkenswerten Tagebucheintrag Kafkas vom Oktober 1921 verwiesen: „Es ist sehr gut denkbar, dass die Herrlichkeit des Lebens um jeden und immer in ihrer ganzen Fülle bereit liegt, aber verhängt, in der Tiefe, unsichtbar, sehr weit. Aber sie liegt dort, nicht feindselig, nicht widerwillig, nicht taub. Ruft man sie mit dem richtigen Wort, beim richtigen Namen, dann kommt sie. Das ist das Wesen der Zauberei, die nicht schafft, sondern ruft.“ Könnte es sein, dass der Zauberer Kafka die Herrlichkeit des Lebens in seiner Literatur beim richtigen Namen gerufen hat? Vielleicht hören wir ihm deshalb bis heute so fasziniert und so begeistert zu.

Es ist mir eine besondere Freude, heute mit Ihnen zusammen die Ausstellung „Kafkas Echo“ zu eröffnen. Die Förderung von Kunst und Kultur ist immer ein großes Vergnügen, besonders die Förderung einer so hervorragenden Institution wie des Literaturarchivs Marbach hier in Baden-Württemberg. Neben der umfangreichen institutionellen Förderung ermöglicht die Unterstützung mit bis zu 1,5 Millionen durch den Bund das besondere Programm „Das freie Wort sichern“ sowie die Realisierung umfassender Baumaßnahmen hier in Marbach.

Hinzu kommt die Förderung dieser Ausstellung, die mein Haus mit einer weiteren halben Million unterstützt, die von besonderer Bedeutung ist; die Ausstellung ist einzigartig und das Ergebnis einer beispiellosen Kooperation. Die drei Einrichtungen, die weltweit die größten Kafka-Bestände verwahren, die National Library of Israel, die Bodleian Libraries Oxford und das von Ihnen, liebe Frau Professorin Richter geleitete Deutsche Literaturarchiv Marbach, haben sich hier zusammengetan. Im Mai 2022 habe ich die israelische Nationalbibliothek in Jerusalem besucht und mir Original-Tagebucheinträge Kafkas angesehen. Er hat sie auf Hebräisch und Deutsch geschrieben. Das hat mich sehr berührt. Der Mensch Franz Kafka brauchte beide Sprachen, um Worte für sein Leben, seinen Alltag zu finden. In Ausstellungen und Veranstaltungen stellen Sie uns Kafka hier als globalen Autor vor und setzen dabei zugleich sein Werk in je lokale Kontexte. Ich bin sehr gespannt, gespannt wie alle Kafka-Leserinnen und Leser, die diese Ausstellung besuchen werden. Wir alle suchen nach neuen, nach überraschenden Zugängen zum Werk und zum Menschen Franz Kafka. Ich bin sicher, dass wir sie hier finden werden. Schon jetzt darf ich behaupten: Die Ausstellung „Kafkas Echo“ ist ein Höhepunkt des Kafka-Jahres.

Ich freue mich auf Ihre Veranstaltung und auf zahlreiche, interessante Gespräche mit Ihnen.

Informationen zur Ausstellung:
„Kafkas Echo“
12. Mai 2024 bis 26. Januar 2025
Deutsches Literaturarchiv Marbach
Abt. Museum
Schillerhöhe 8-10, 71672 Marbach
Zur Website: Kafkas Echo

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