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Eröffnung der 74. Berlinale

Thema: Rede

Donnerstag, 15. Februar 2024

„Ich bin überzeugt, dass jeder Film eines internationalen Festivals, jede Geschichte, die erzählt wird, uns hilft, einander besser zu verstehen“, erklärte Kulturstaatsministerin Roth bei der Eröffnungsgala im Berlinale-Palast. Damit ging Roth auch auf die Gefährdung unserer offenen Gesellschaft durch Demokratiefeinde ein. „Gegen ihren Rassismus und ihren Hass setzen wir die Schönheit der Verschiedenheit, setzen wir Respekt und Mut, setzen wir Freude und Verständigung, setzen wir Empathie und Humanität“, betonte die Staatsministerin.

Kulturstaatsministerin Roth bei der Eröffnungsrede

"Dieses Fest ist bunt und laut, es braucht die Vielfalt, sucht die Auseinandersetzung und fürchtet nichts und niemanden", betonte Kulturstaatsministerin Roth bei der Eröffnung der 74. Berlinale

Herzlich willkommen in den Berliner Kinos, Festsälen und -Hallen, im Rampenlicht der Bühne und im Dunkel der Lichtspielhäuser. Herzlich willkommen zur Berlinale 2024, zum Fest der Geschichten!

Um sie geht es hier: um die Geschichten, die wir uns erzählen, um Bilder, die uns bewegen und die wir in Bewegung bringen. Dieses Fest ist bunt und es ist laut, es braucht die Vielfalt, sucht die Auseinandersetzung und fürchtet nichts und niemanden.

Was uns Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek in diesem Jahr präsentieren, ist ein Programm, das so viel Farbe hat, wie nie: Filme aus Nepal, der Dominikanischen Republik, aus dem Senegal. Ein wichtiges, ein großartiges Programm. Danke von Herzen.

Die Berlinale trägt alle Farben, weil Film eine Auseinandersetzung ist, mit der Welt, die uns umgibt, und den Menschen, die in ihr leben. Wer hierher kommt, lebt für den Film. Und wir, die Zuschauerinnen und Zuschauer, lieben ihn, weil wir Geschichten lieben. Wir lieben Geschichten, weil wir selbst Geschichten sind, wie Salman Rushdie sagt, der vielleicht beste Erzähler unserer Zeit. Im Dunkel des Kinos erleben wir diese Geschichten, finden uns in ihnen wieder oder erfinden uns in ihnen neu.

Was wir Geschichte nennen, ist tatsächlich eine endlose Kette von Erzählungen mit zahllosen Nebensträngen und Verästelungen, mit hellen, dunklen und tragischen Kapiteln, schön und furchterregend, eine ewige Variation von Liebe und Hass, von Krieg und Frieden, von Leben und Tod. Jean-Luc Godard sagt „manchmal ist die Realität zu komplex, Geschichten geben ihr Form“.

Wir leben in einer Zeit, die uns mit ihren Krisen, ihren Konflikten, ihrem Elend und ihrer Tragik zu überfordern droht. Meine erste Berlinale als Kulturstaatsministerin war gerade vorbei, als Russland vor zwei Jahren die Ukraine überfiel und einen Krieg entfesselte, der bis heute andauert. Ein furchtbarer, ein brutaler, ein tragischer Krieg. Selten waren die Lügen eines Kriegsherrn infamer, als die Wladimir Putins. Und selten war eine Sache gerechter, als der Kampf der Ukrainerinnen und Ukrainer um ihr Land. Slawa Ukraini!

Vor einem Jahr haben wir uns hier, am selben Ort, mit mutigen Frauen und Männern im Iran solidarisiert, die sich mit ihrer Forderung „Frau, Leben, Freiheit“ – „Zan, Zendegi, Āzādi“ auf die Straßen gewagt hatten, und einem Regime die Stirn boten, das jeden Widerstand mit dem Tod bedroht. Wir vermissen heute, bei uns, unsere iranischen Freundinnen und Freunde. Unsere Herzen sind bei Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha.

Und dann, dann kam der Tag, der einen tiefen Einschnitt für die Menschen in Israel, für jüdische Menschen weltweit, für uns alle bedeutet: der barbarische Angriff der Hamas-Terroristen auf friedlich lebende Menschen, auch auf friedlich feiernde Menschen eines Festivals. Menschen wie Du und ich. Dieser 7. Oktober war ein Tag des Mordens, der Zerstörung, ein Tag hundertfacher Vergewaltigungen und Geiselnahmen. Ein Grauen, das noch immer andauert. Bring them home. Now.

Und wenn ich das sage, denke ich natürlich mit tiefer Trauer und großer Sorge an die Zivilistinnen und Zivilisten im Gazastreifen. Menschlichkeit ist unteilbar. Unser Mitgefühl muss allen Menschen gelten. Die Menschen im Gazastreifen brauchen dringend Hilfe, sie brauchen Schutz, und diese Region braucht eine politische Lösung, die Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben ist.

Was mich entsetzt und zutiefst beschämt, ist die Welle der Gewalt gegen jüdische Menschen in unserem Land, die wir täglich, auch hier in Berlin erleben. Demokratien in der ganzen Welt werden angegriffen. Auch unsere Demokratie ist nicht immun. Sie wird bedroht von ihren Feinden. Es sind die Feinde der offenen Gesellschaft. Sie treffen sich in Villen an Seen, wo sie von völkischer Gesinnung raunen und Deportationen planen. Sie wollen diese Republik, unsere freiheitliche Demokratie zersetzen und zerstören. Sie wollen Hass und Hässlichkeit.

Gegen ihren Rassismus und ihren Hass setzen wir die Schönheit der Verschiedenheit, setzen wir Respekt und Mut, setzen wir Freude und Verständigung, setzen wir Empathie und Humanität.

Wir können uns unsere Geschichten erzählen. Ich bin überzeugt, dass jeder Film eines internationalen Festivals, jede Geschichte, die erzählt wird, uns hilft, einander besser zu verstehen. Geschichten können viel, sie inspirieren, provozieren und sie mobilisieren.

Wir haben sie gesehen diese Kraft in den vergangenen Tagen, hier in Berlin, in München, in Hamburg, in Dresden, in Augsburg, überall in Deutschland, wo hunderttausende Menschen ihre Geschichte, unsere Geschichte, die Geschichte unseres Landes auf die Straßen getragen und gefordert haben, das „Nie wieder“ einzulösen, für das unsere Verfassung steht. Sie sind das schöne Gesicht der Geschichte und die Hoffnung, nicht nur für unser Land.

Ich wünsche Ihnen allen von ganzem Herzen diese Momente der Begegnung, des Erzählens, des Sehens, Hörens und Staunens, eine friedliche und trotz allem wunderbare Berlinale!

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