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20-jähriges Bestehen der Beratenden Kommission

Thema: Rede

Donnerstag, 14. September 2023

Beim Festakt zum 20-jährigen Bestehen der Beratenden Kommission würdigte Kulturstaatsministerin Roth die Arbeit des Gremiums. Deutschland werde jedoch seiner Verantwortung nicht gerecht, die es angesichts der Verbrechen der Shoah trage, erklärte die Staatsministerin. Es gelte daher, die Beratende Kommission zu stärken und zu modernisieren. Erste Vorschläge für eine Reform der Kommission stellte Roth bei der Veranstaltung vor.

Vor fast 25 Jahren hat sich Deutschland bereit erklärt, ich zitiere: „nach weiterem NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zu suchen und gegebenenfalls die notwendigen Schritte zu unternehmen, eine gerechte und faire Lösung zu finden.“

In diesem Satz erkennt Deutschland an, dass zu wenig getan wurde, dass die bisherigen Lösungswege nicht ausgereicht haben, um Fairness und Gerechtigkeit herzustellen. Heute Morgen hatte ich die Möglichkeit, und ich bin sehr dankbar dafür, mich mit Familien zu treffen mit Nachkommen der Opfer von Nazi-Verbrechen/Nazi-Unrecht. Sie haben mir von ihren bitteren Erfahrungen berichtet.

Sie haben mir geschildert, was diese Erklärung für sie bedeutet, haben mir sehr emotional ihren – oft schwierigen, oft sehr steinigen – Weg auf der Suche nach Gerechtigkeit beschrieben. Und ich bin wirklich erschüttert, dass Sie erleben mussten, wie Bittsteller behandelt zu werden. Erschüttert, dass Werke, die Ihnen zustehen, und die Ihnen deshalb zurückzugeben sind, von Einigen als “Geschenke“ betrachtet werden.

Deshalb will ich in aller Klarheit sagen: Sie sind keine Bittsteller! Und eine Restitution ist keine Schenkung!

Bei vielen Gesprächen, die ich geführt habe, wurde mir bewusst und immer klarer: Wie lange der Weg noch ist, den Deutschland gehen muss. Die Verantwortung, die wir tragen, sie endet nicht mit der Einrichtung einer Kommission. Ganz im Gegenteil: Die Aufarbeitung und Erinnerung an die Shoah ist zugleich Auftrag, eine gerechte und faire Lösung für die Betroffenen zu finden; ein Auftrag, das „Nie wieder“ dauerhaft in die Breite der Gesellschaft zu tragen.

Ja, die Einrichtung der Beratenden Kommission zur Umsetzung der Washingtoner Erklärung war ein enorm wichtiger Schritt. In Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern.

Und an dieser Stelle möchte ich der Beratenden Kommission und all denen von ganzem Herzen danken, die diese Aufgabe übernommen haben, intensiv übernommen haben, die sich auf den Weg gemacht haben zu mehr Gerechtigkeit, die bis heute sich einbringen, dafür kämpfen, mitgearbeitet haben, um Gerechtigkeit zu schaffen.

Wie auch in anderen Ländern war und ist die Kommission der Kritik, oft auch nicht sehr abgewogener Kritik, dem Argwohn und viel zu oft auch Behinderungen in ihrer täglichen Arbeit ausgesetzt. Deshalb ist es auch in Deutschland Zeit, das zu ändern. Ich sage bewusst: es ist höchste Zeit, das zu ändern.

Wir haben doch in den vergangenen 20 Jahren gesehen: Es genügt nicht. Es genügt so nicht. So werden wir unserer Verantwortung nicht gerecht, wie wir uns das in der Washingtoner Erklärung vorgenommen hatten.

Wir werden unserer Verantwortung nicht gerecht, die wir angesichts unserer Geschichte und den Verbrechen unseres Landes tragen. Andere Länder haben ihre Kommissionen früher reformiert. Jetzt ist es an dieser Bundesregierung nachzuholen, was in den vergangenen Jahren verpasst wurde. Der Koalitionsvertrag benennt diesen Auftrag auf den ersten Blick etwas zurückhaltend mit „wir [… wollen] die ‚Beratende Kommission‘ stärken.“

Auf den zweiten Blick geht es um sehr viel mehr. Es geht um eine Reform, die diesen Namen wirklich verdient und ich sage es noch einmal: Wir müssen und wollen nachholen, wo andere Länder und ganz besonders die Niederlande und das Vereinigte Königreich in den vergangenen Jahren vorangegangen sind.

Diesen Weg, sehr geehrte Mitglieder der Beratenden Kommission und sehr geehrter Herr Vorsitzender, haben ja auch Sie in unserem Gespräch im letzten Jahr angemahnt.
Und wir sind diesen Weg, wie Sie wissen, gegangen. Mit Ihnen, in Einzelgesprächen, mit wissenschaftlicher Beratung und im beständigen Kontakt mit meinen europäischen Kolleginnen und Kollegen, sei es im bilateralen Gespräch, sei es im Rahmen von Regierungskonsultationen wie unlängst mit den Niederlanden.

Und eben auch und vor allem gemeinsam mit den Landeskulturministerinnen und Landeskulturministern, denen ich an dieser Stelle danken will. Denn viele Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern haben verstanden und es auch bereits klar gemacht, dass auch sie gewillt sind, die notwendigen Verbesserungen zu erreichen.

Danken möchte ich an dieser Stelle auch Dr. Josef Schuster, mit dem und mit dessen Geschäftsführer wir Gespräche geführt haben und die ebenfalls die Notwendigkeit einer Reform betonen.


Ja, Kritik ist berechtigt. Diese Koalition teilt sie ausdrücklich und hat sie zur Grundlage ihres Handelns gemacht: Wir wollen eine modernere und stärkere Restitutionskommission. Hierzu haben wir uns mit den Ländern auf einen Prozess verständigt, in dessen Rahmen ich zunächst Vorschläge unterbreite und wir uns dann Mitte Oktober diesen Jahres im sogenannten Kulturpolitischen Spitzengespräch mit den Ländern dazu austauschen.

Drei Kernpunkte, drei sehr wichtige Punkte, darf ich Ihnen an dieser Stelle nennen:
- Erstens: Wir wollen eine einseitige Anrufung der Kommission ermöglichen.
- Zweitens: Wir wollen, dass sie frühzeitig befasst werden kann und keine vorangegangenen Einigungsversuche notwendig sind.
- Wir wollen weiter, dass die Kommission ihrerseits Aufträge zur Provenienz-Forschung vergeben kann, um größtmögliche Transparenz zu haben und zu gewährleisten.
Und hinzufügen möchte ich, dass wir auch die bisherige Handreichung überarbeiten und ersetzen wollen.

Denn – diese Bemerkung sei mir erlaubt – diese Handreichung sie atmet eher den Geist einer verhindernden Bürokratie als einer ermöglichenden Beratung.
Wir werden auf diesem Weg auch weiterhin den intensiven Austausch brauchen, Beratung brauchen und Kritik erbitten. Viele von Ihnen haben sich schon jetzt – sozusagen im Vorgriff auf den heutigen Tag – daran beteiligt. In vertraulichen Gesprächen mit uns oder in öffentlichen Stellungnahmen – oder auf beiden Wegen. Ich möchte Ihnen ausdrücklich dafür danken.

Und ich möchte mit einem Aufruf schließen: Jedes geraubte, jedes geplünderte, jedes erpresste Objekt ist viel mehr als der materielle Wert allein. An ihm hängt das ganze Unrecht der Shoah – das sage ich den heutigen Besitzern: Machen Sie sich nicht gemein damit!

An den Objekten hängt aber auch ihre Abwesenheit. Sie fehlen in den Familien, sie sind Lücken in den Geschichten, sind Trauer, sind Schmerz, sind Wut. Sind offene Wunden von Anfang an über Generationen hinweg.

Deswegen sage ich den Familien: Wir sind uns unserer Aufgabe bewusst. Wir haben sie angenommen und wir werden unseren Teil leisten für mehr Gerechtigkeit.

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